Arbeitspsychologie: Wie eine Führungskraft die Wahrnehmungskakophonie im Unternehmen moderiert und eigene Autorität stabilisiert
Führung und Verantwortung: Wie gewinnt und behält eine Leitungskraft Autorität? In erster Linie durch möglichst klare, verantwortliche Entscheidungen, die im Interesse des Unternehmens, seiner MitarbeiterInnen und Stakeholder, seiner Philosophie und Werte liegen. Fühlt sich die Leitungskraft jedoch genötigt, Zwang bzw. Sanktionen anzuwenden, ist ihre Autorität gefährdet oder bereits irreversibel zerfallen. Mit diesen Thesen fokussiert der Arbeits- und Organisationspsychologe Professor Dr. Tim Hagemann Führungskräfte v.a. in Sozial- und Gesundheits- Unternehmen.
„Mangelndes Vertrauen oder mangelnder Respekt stellt die größte Gefahr für Führungskräfte dar. Ein Verlust von Autorität ist, wie auch ein Verlust von Vertrauen, irreparabel. In dem Moment, in dem ein Autoritätsverlust einsetzt, kann nicht mehr oder nur mit der Furcht vor Sanktionen geführt werden. Oder es muss darauf vertraut werden, dass sich die Mitarbeitenden eigenverantwortlich im Sinne des Unternehmens organisieren und handeln.“
Was stabilisiert Autorität? „Die meisten Entscheidungen berühren die Interessen der Mitarbeitenden und werden von diesen aufmerksam bezüglich Nachvollziehbarkeit, Angemessenheit und Gerechtigkeit beobachtet. Mitarbeitende erwarten nicht, dass alle stets gleich behandelt werden, aber sie erwarten, dass die Entscheidungen gerecht und von Vorteil sind. Dies wird empfunden, wenn die Kriterien, anhand derer die Entscheidungen fallen, bekannt und nachvollziehbar sind. Dies setzt voraus, dass eine Führungskraft in allen Situationen eindeutige Entscheidungen definiert hat, diese explizit macht und den MitarbeiterInnen verdeutlicht.“
Als ähnlich wichtige Facette von Autorität stellt Hagemann die „Fähigkeit zur Selbstregulation“ heraus – „in dem Sinn, dass man an Werten festhält – auch gegen eine eigene widerläufige emotionale Präferenz und den damit verbundenen emotionalen Impuls. Dies verlangt nicht nur einen hohen Grad an Selbstdisziplin und Selbstkontrolle, sondern auch eine Verinnerlichung und Bewusstseinsschärfung von Werten, so dass diese selbst in spannungsgeladenen Situationen handlungsorientierend wirken. Die Fähigkeit einer emotionalen Distanzierung dürfte dies vereinfachen, ebenso wie eine ausgeprägte Identifikation mit den Aufgaben der Position. Das Annehmen einer klar definierten Rolle bei gleichzeitiger Zurücknahme persönlicher Interessen sollte auch in spannungsreichen Situationen gelebt werden.“
Hagemann empfiehlt, „dass Führungskräfte die Wahrnehmungskakophonie in ihrer Organisation moderieren und harmonisieren. Die Herausbildung einer gemeinsamen sozialen Wirklichkeit in einem kontinuierlichen Prozess von zuhören, verstehen und erklären ist eine unerlässliche Aufgabe von Führung und zentral zur Aufrechterhaltung von Autorität.“
Mitarbeiter führen und Entscheidungen verantworten – Festschrift zur Emeritierung von Prof. Dr. Martin Sauer
Hagemann, Tim (Hrsg.)
Pabst, 200 Seiten
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