High-Risk-Teams sind mit kollektiver Achtsamkeit erfolgreich

Ein Hochleistungs- und High-Risk- Team – z.B. Feuerwehr, medizinischer Rettungsdienst oder Kernkraftwerks-Crew – benötigt für den Erfolg und die eigene Sicherheit eine „kollektive Achtsamkeit“, die durch keine fachfremde Autorität gestört wird.  Dr. Peter Mistele und Prof. Dr. Silke Geithner berichten Details in ihrem Beitrag zum Lehrbuch Praxis der Wirtschaftspsychologie I.

„Mit Achtsamkeit ist eine grundlegende mentale Haltung und Denkweise gemeint, die es Teams vor allem in unvorhergesehenen Situationen erlaubt, flexibel und situationsadäquat zu handeln.“ Fünf Dimensionen sind darin enthalten:

  • Sensibilität für Arbeitsabläufe
  • Konzentration auf Fehler
  • Abneigung gegen vereinfachende Interpretationen
  • Streben nach Flexibilität
  • Respekt vor fachlichem Wissen und Können

„Um in unerwartet aufgetretenen Situationen rasch handeln zu können, müssen Entscheidungen zügig getroffen werden. Mit der flexiblen Entscheidungsfindung verschieben Hochleistungsteams je nach Situationsdynamik die Entscheidungsgewalt von der Hierarchiespitze an die Peripherie. In ruhigen Zeiten werden die Entscheidungen zentral getroffen. In unvorhergesehenen Einsatzsituationen oder wenn die Aufgaben komplexer werden, delegieren Hochleistungsteams die Entscheidungsgewalt bewusst an Personen, die über das benötigte Fachwissen und Können verfügen und meist nahe am Handlungsgeschehen agieren. Dies bedeutet, dass Entscheidungen an den Ort verlagert werden, wo die höchste fachliche Expertise für das zu lösende Problem liegt.

Wegen des Respekts vor fachlichem Wissen und Können treten formale hierarchische Strukturen mit ihren Macht- und Entscheidungskompetenzen bei fachlichen Entscheidungen in den Hintergrund. So kann z.B. ein Feuerwehrtrupp, der den Auftrag zu einem Löschangriff in einem bestimmten Zimmer hat, eigenständig entscheiden, diesen zugunsten einer Personenrettung aufzugeben. Wichtig ist dabei, dass der Angriffstrupp die getroffene Entscheidung sofort an den Einsatzleiter kommuniziert, damit dieser entsprechend agieren kann,“ empfehlen Mistele und Geithner. Wird das High Risk Team jedoch starr „von oben“ geführt, kann es u.U. Katastrophen auslösen. Ein klassisches Beispiel beschreibt der Kraftwerks-Ingenieur Dr. Volker Hoensch in seiner Studie Entscheidungen unter Entropie:  Manager der sowjetischen Energiebehörde in Kiew ordneten an, die Kühlung im Kernkraftwerk Tschernobyl zurückzufahren. Die Operatoren äußerten Bedenken, führten den Befehl jedoch aus – und stoppten die Prozedur auch nicht, als sie auf den Monitoren die Überhitzung der Brennstäbe sahen. Die Explosion wurde unvermeidlich. Hoensch folgert aus der Untersuchung mehrerer technischer Katastrophen, dass High Risk-Teams ausschließlich auf der Basis ihrer eigenen Fachautorität erfolgreich und sicher agieren können. 

Praxis der Wirtschaftspsychologie Band 1
Auswahl und Entwicklung von Fach- und Führungskräften
Mehlich, Patrick; Brandenburg, Torsten; Thielsch, Meinald T. (Hrsg.)
Pabst, 236 Seiten

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Entscheidungen unter Entropie
Sicherheitskultur in High Risk-Unternehmen
Hoensch, Volker
Pabst, 258 Seiten, Hardcover

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