Fairness und Moral: Warum sich Pflegekräfte häufig aus ihrem Beruf verabschieden
Nur 54 Prozent der Pflegenden und 55 Prozent der MedizinerInnen in Kliniken halten die Geschäftspraktiken ihrer Führungskräfte für „ehrlich und ethisch vertretbar“. Fast die Hälfte der Beschäftigten in deutschen Kliniken leidet unter „moralischen Verletzungen“, ermittelte eine Umfrage von Great Place to Work. Die Studie erschien in der unabhängigen Fachzeitschrift „Wirtschaftspsychologie“ (Themenheft „Arbeitszufriedenheit“). Nur 41% der Pflegenden und 35% der MedizinerInnen stimmen dem Satz zu: „Die oberen Führungskräfte leben die besten Eigenschaften unserer Organisation vor.“
Die Studienautoren Frank Hauser, Karsten Schulte-Deußen und Irene Pfaff identifizieren vor diesem Hintergrund moralische Verletzungen als Hauptproblem der Pflege, das noch vor den anderen Belastungsfaktoren rangiert – Bezahlung, Arbeitszeiten, hohe Arbeitslast. Nur 48% der Pflegenden und 50% der Medizinerinnen bestätigen: „Die Führungskräfte zeigen Anerkennung für gute Arbeit und besonderen Einsatz.“ Ein ähnlich kritisches Bild ergibt die Frage: „Die Führungskräfte leisten gute Arbeit bei der Zuweisung von Aufgaben und der Koordination.“ Nur 53% der Pflegenden und 49% der MedizinerInnen testieren es mit Ja.
In der gleichen Ausgabe „Wirtschaftspsychologie“ berichtet Matthias Sutter über ein Feldexperiment: Die Wissenschaftler bildeten in einem Callcenter drei Vergleichsgruppen, die nicht kündigungsgefährdet waren. Team 1. wurde über eine unfaire Kündigung von Kollegen informiert. Team 2. erfuhr gleichfalls von der Kündigung und konnte sie als berechtigt wahrnehmen. Team 3. erfuhr nichts von einer Kündigung. In den Folgetagen wurde die Arbeitsleistung gemessen: Sie ging in Team 1. um 12 Prozent zurück (mehr Pausen u.a.) und blieb in den beiden anderen Teams unverändert.
Sutter: „Dies zeigt, welch große Bedeutung Fairnessüberlegungen – auch wenn sie nur andere Personen, aber gar nicht einen selbst betreffen – im Berufsleben spielen.“
Arbeitszufriedenheit – Emotionen, Messung und Ergebnisse
Wirtschaftspsychologie 2022-3
Lorenz Fischer (Hrsg.)
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