Kultur der Bürokratie: „Öffentliche Verwaltung ist eigentlich nicht für den Bürger da“
Die viel propagierte ´bürgernahe Verwaltung´ ist mehr Wunsch als Realität. „In der Interaktion in den Amtsstuben findet keine Diskussion auf gleichem Niveau statt. Beamte lassen sich normalerweise nicht überreden und kaum überzeugen. Sie sind nicht nur an feste Regeln gebunden, sondern kennen diese auch besser als der Bürger,“ notiert der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Rolf Taubert in seiner aktuellen Monografie Vom Amtsleben – Über die Kultur der Bürokratie.
„Die Angehörigen der Bürokratie bilden heute keine Kaste mehr. In der Regel – und besonders in den sensibelsten und konfliktreichsten Bereichen, wie etwa der Sozialverwaltung – hat die/der Verwaltungsangehörige eine höhere soziale Position als der Bürger.“
Das staatliche System vertritt das gemeinsame Interesse des ganzen Volkes und realisiert die entsprechenden Gesetze. „Öffentliche Verwaltung ist daher eigentlich nicht für den Bürger da. Ganz im Gegenteil, sie ist gegen den einzelnen Bürger, denn sie vertritt gegenüber den Ansprüchen des Einzelnen die Interessen der Gesamtheit, vertreten durch Staat und Gesetze.
Nun wäre es lebensfremd, wenn wir ignorieren würden, dass – durch Vermögen und Einfluss – keineswegs alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. In dieser Hinsicht erlebt die aktuelle Formbestimmtheit unseres Demokratiemodells Deformationen, die dazu beitragen, dass der Citoyen geneigt ist, die Systemfrage zu stellen … was sich u.a. im kritischen Wahlverhalten äußert.“
Nach Einschätzung von Taubert arbeiten die etwa fünf Millionen Angehörigen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland trotz aller Veränderungen nach wie vor unter Grundsätzen, die Max Weber während der Weimarer Republik beschrieben hat:
- Hierarchieprinzip incl. Laufbahnverordnung
- Aktenmäßigkeit der Verwaltung
- Arbeitsteilung und Professionalität
- Trennung von Amt und Person
- Regelgebundenheit
- ´Unpersönlichkeit´ bzw. Neutralität des Verwaltungshandelns
Vom Amtsleben – Über die Kultur der Bürokratie
Rolf Taubert
Asanger Verlag, 94 S.