Wer im Alter arbeitet, ist zufriedener

Trotz Krisen ist die Lebenszufriedenheit der deutschen Wohnbevölkerung in den letzten Jahren gestiegen. Dabei äußern ältere Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, im Durchschnitt eine höhere Lebenszufriedenheit als ältere Menschen, die dies nicht tun.

 Innerhalb der älteren Generation sind die 66- bis 70-Jährigen, die über die Regelaltersgrenze hinaus als „Silver Worker“ weiterarbeiten, besonders zufrieden mit ihrem Leben.

Lebenszufriedenheit

In der Forschung gilt Lebenszufriedenheit als subjektives, nicht beobachtbares Konstrukt. Während es sich beim Glücksgefühl eher um einen momentanen, leicht änderbaren Zustand handelt, geht es bei der Lebenszufriedenheit um das Ausmaß, grundsätzlich mit dem eigenen Leben zufrieden zu sein. Um die individuelle Lebenszufriedenheit eines Menschen zu messen, wird in der Forschung meist auf die Selbsteinschätzung der „Zufriedenheit mit dem Leben im Allgemeinen“ durch standardisierte Fragebögen zurückgegriffen.

Entwicklung der Lebenszufriedenheit

Um das Ausmaß und die Verteilung von Lebenszufriedenheit in Deutschland zu untersuchen, wurden Daten des Sozio-oekonomischen Panels (Goebel et al., 2019), einer repräsentativen Langzeitbefragung für die deutsche Wohnbevölkerung, ausgewertet (SOEP v38). Dabei bezieht sich die Erfassung der Lebenszufriedenheit auf das Befragungsitem: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?“ (Antwortmöglichkeiten von null „ganz und gar unzufrieden“ bis zehn „ganz und gar zufrieden“). Zwischen 1995 und 2021 wurden jährlich zwischen 1.363 und 2.734 Menschen im Alter von 61 bis 70 Jahren befragt.

Zwischen 2005 und 2021 stieg die durchschnittliche Lebenszufriedenheit von 6,8 auf 7,4 Skalenpunkte. Dieser Anstieg suggeriert ein gewisses Maß an Resilienz der deutschen Bevölkerung. Trotz herausfordernder Umstände wie Pandemie und Inflation gelang es der Bevölkerung auch zwischen 2020 und 2021 ein hohes Maß an Lebenszufriedenheit zu bewahren.

Dabei entwickelte sich die Lebenszufriedenheit älterer Menschen zwischen 61 und 70 Jahren parallel zum gesamtdeutschen Trend (siehe Abbildung). Unterschiede im Niveau und der Entwicklung der Lebenszufriedenheit zeigen sich zwischen Personen mit und ohne Erwerbstätigkeit im Alter. Als Erwerbstätige sind Arbeitnehmer:innen, Beamtinnen und Beamte und Selbstständige definiert. Unter den Nichterwerbstätigen werden Rentner:innen, Arbeitslose und Personen, welche keine Angabe zum Erwerbsstatus machten, zusammengefasst. Für alle vier Gruppen zeigt sich ein Anstieg der Lebenszufriedenheit zwischen 2005 und 2020, wobei der Anstieg bei den 61-bis 65-jährigen Nichterwerbstätigen gering ausfällt.

Erwerbstätige Ältere sind zufriedener

Die hier beschriebene Entwicklung zeigt, dass sich der bereits von Grunewald (2017) beobachtete Befund fortsetzt:

Personen, die im Alter erwerbstätig sind, zeigen sich mit ihrem Leben zufriedener. Dabei zeigt sich seit 2010 die Gruppe der erwerbstätigen 66- bis 70-Jährigen als am zufriedensten mit ihrem Leben. Im Jahr 2021 erreichte sie eine durchschnittliche Lebenszufriedenheit von 7,6 Skalenpunkten.

Allerdings ist seit 2005 die Lebenszufriedenheit der 66- bis 70-Jährigen, die nicht (mehr) arbeiten, im Vergleich zu den anderen Gruppen besonders stark gestiegen. Dies führt dazu, dass sich die Lebenszufriedenheit der erwerbstätigen Personen im Alter von 66 und 70 Jahren und solchen, die nicht (mehr) im Erwerbsleben stehen, mit 0,1 Skalenpunkten im Jahr 2021 nur noch gering unterscheidet.

Wieso Menschen, die im Alter arbeiten, zufriedener sind

Es gibt mehrere Gründe, warum eine Erwerbstätigkeit im Alter positiv mit der Lebenszufriedenheit einhergeht. Arbeit bietet die Möglichkeit zu regelmäßigem sozialem Austausch. Dies kann ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln. Fällt das arbeitsbezogene Netzwerk durch den Eintritt in den Ruhestand weg, kann dies die Lebenszufriedenheit mindern. Cohn-Schwartz/Naegele (2023) zeigen in diesem Zusammenhang, dass Personen, die kontinuierlich im Erwerbsleben standen, ein größeres soziales Netzwerk haben als Personen, deren Erwerbsbiografie durch Care-Arbeit bestimmt war. Arbeit wird zudem häufig als sinnstiftend empfunden und kann dadurch das Wohlbefinden stärken und das Selbstwertgefühl steigern. Außerdem bringt Arbeit Struktur und Routine in den Alltag, welche mit Eintritt in den Ruhestand neu aufgebaut werden muss.

Ein Blick auf die Gründe für eine Weiterarbeit über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus, zeigt, dass genau diese Motive – Spaß an der Arbeit und soziale Kontakte – ausschlaggebend für die Entscheidung sind, weiterzuarbeiten. Finanzielle Gründe sind hingegen nachrangig (BMAS, 2023, 98). Auch Auswertungen der IW-Personenbefragung 2023 (Diermeier et al., 2023) zeigen, dass vor allem jene Personen in höherem Erwerbsalter (61 Jahre und älter) weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die bei ihrer Arbeit Spaß haben und sie als sinnstiftend empfinden. 74 Prozent der befragten Personen über 61 Jahre stimmen voll oder eher zu, dass ihnen ihre Arbeit Spaß macht. 85 Prozent empfinden ihre Arbeit als sinnstiftend. In der Gruppe unter 61 Jahren geben lediglich 64 Prozent der Erwerbstätigen an, dass ihnen ihre Arbeit Spaß macht. Auch bei der Sinnfrage schneiden Personen unter 61 Jahren 10 Prozentpunkte schlechter ab als ältere Erwerbstätige. Ebenso zeigt sich, dass sich Personen unter 61 Jahren körperlich und im Besonderen mental deutlich stärker durch ihre Arbeit belastet fühlen als ältere Erwerbstätige. Das deutet auf eine starke Selektion der weiterarbeitenden Personen im Alter hin. Neben der intrinsischen Arbeitsmotivation ist zu vermuten, dass ein guter Gesundheitszustand für die Weiterarbeit eine zentrale Rolle spielt. Dabei setzt eine fortgesetzte Erwerbstätigkeit im (Renten-)Alter eine körperliche und mentale Gesundheit nicht nur voraus, sondern kann diese sogar fördern. Denn eine berufliche Tätigkeit impliziert oft auch Herausforderungen und erfordert Problemlösungsfähigkeiten, die das Gehirn aktiv halten können. Je nach Tätigkeit kann dies dazu beitragen, geistige Fähigkeiten zu erhalten und das Risiko von altersbedingten kognitiven Problemen zu verringern (Xue et al., 2018).  

Fazit

Auch wenn die Selektionsthematik hier nicht aufgelöst werden kann, zeigen die Befunde einen positiven Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Lebenszufriedenheit im Alter. Dabei ist der Anteil erwerbstätiger Älterer in der letzten Dekade stark gestiegen (Destatis, 2024). In Bezug auf die Entwicklung der Lebenszufriedenheit im gleichen Zeitraum lassen sich die folgenden zwei zentralen Befunde hervorstellen: der starke Anstieg der Lebenszufriedenheit der nicht erwerbstätigen 66- bis 70-Jährigen auf der einen Seite und der geringe Anstieg der Lebenszufriedenheit der nicht erwerbstätigen 61- bis 65-Jährigen auf der anderen Seite. Dabei bleibt die Gruppe der nicht erwerbstätigen 61- bis 65-Jährigen über den kompletten Beobachtungszeitraum hinweg die Gruppe mit der geringsten Lebenszufriedenheit. Dies lässt die Vermutung zu, dass ein (früher) Ausstieg aus dem Erwerbsleben nicht die Lösungsformel für eine hohe Lebenszufriedenheit ist.

Quelle: https://www.iwkoeln.de/studien/jennifer-potthoff-ruth-maria-schueler-wer-im-alter-arbeitet-ist-zufriedener.html

Arbeitszufriedenheit über die Lebensspanne – Eine empirische Analyse zu den Ursachen für die hohe Arbeitszufriedenheit älterer Beschäftigter
Schulte, Karsten
Pabst, 394 Seiten
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