Wie Teams einstimmig Fehlentscheidungen fällen
Wichtige Entscheidungen werden meist in Gremien, Kollektiven, Teams – auch auf hochqualifizierter Leitungsebene – getroffen. Gelegentlich ist das Ergebnis grottenschlecht – und nur psychologisch erklärbar. Bettina Keßler macht im Lehrbuch ´Psychologie im Human Resource Management´ auf eine selten bewusste, aber hochwirksame Ursache aufmerksam: Groupthink.
„Bildlich lässt sich das Phänomen etwa mit einer ´Vertunnelung´ des Gesichtsfeldes beschreiben, in der ein Hauptziel angestrebt wird, auf das der Tunnel wie ein Suchfernrohr ausgerichtet ist. Dieses Hauptziel nimmt die Gedanken der Beteiligten und ihre Diskussionen derart in Beschlag, dass weitere Ziele in einem Geflecht von Zielkriterien, Folge- und Fernwirkungen, Warnsignalen sowie offenkundigen Risiken aus dem Blick geraten. Wir haben es nicht mit einem individuellen Phänomen zu tun, das sich individualpsychologisch erklären ließe, sondern mit einem kollektiven.
Anfällig für die Entwicklung von Groupthink sind Teams, die einen sehr starken inneren Zusammenhalt und eine hohe Wirksamkeitserwartung haben und relativ Isoliert von Außeneinflüssen agieren. Kommt hinzu, dass statt methodischer Planungs- und Bewertungsprozesse eher intuitive Entscheidungs- und Bewertungsregeln herrschen, besteht die Gefahr, dass ein Team zu schnell und einseitig eine Lösung favorisiert. Im Gegenzug werden alternative Möglichkeiten und Risiken nicht hinreichend überprüft.
Die Frage, ob kritische und unpopuläre Stimmen in Entscheidungssituationen Einfluss nehmen, ist eng damit verbunden, inwieweit konträre Sichtweisen erlaubt sind, zugelassen oder wertgeschätzt werden. Hier spielt auch das Bedürfnis nach Konsens in einer Gruppe. Es bedeutet, dass Teams nach einer einvernehmlichen, möglichst unangefochtenen Lösung streben. Diese lässt Teams mitunter immun werden gegenüber gegenteiligen Einschätzungen. Einheitlichkeit – oder vermeintliche Einheiligkeit – scheint einherzugehen mit der Vorstellung, man sei unverletzlich, denn man ist sich ja einig. Der Druck auf Mitglieder wächst, mögliche Bedenken zurückzuhalten …“
Psychologie im Human Resource Management
Ein Lehrbuch für Hochschule und Praxis
Bildat, Lothar; Warszta, Tim (Hrsg.)
Pabst, 576 Seiten