Neue Metaanalyse: Dialekte und fremdsprachliche Akzente können zu Benachteiligungen bei Bewerbungsverfahren führen

Forschende empfehlen für Vorstellungsgespräche festgelegte Fragen und einheitliche Beurteilungsmaßstäbe

Menschen, die Dialekt oder einen fremdsprachlichen Akzent sprechen, können bei Bewerbungsverfahren benachteiligt werden. Das zeigt eine neue Meta-Studie von Forschenden der Freien Universität Berlin, der Hochschule Neu-Ulm und der Universität Ulm. Das Forschungsteam stellte in der aktuellen Untersuchung fest, dass Bewerbende mit erkennbarem Dialekt oder fremdsprachlichem Akzent in Vorstellungsgesprächen als weniger kompetent eingeschätzt werden und ihre Chance auf ein Stellenangebot für sie geringer ist.

Die Studie „Do ethnic, migration-based, and regional language varieties put applicants at a disadvantage? A meta-analysis of biases in personnel selection“ ist im renommierten Fachmagazin „Applied Psychology“ erschienen (Link: https://doi.org/10.1111/apps.12528).

Die Forschenden analysierten Daten von 3615 Teilnehmenden aus 22 Einzelstudien und bieten damit eine umfassende Auswertung des internationalen Forschungsstands zu diesem Thema. Die zugrunde liegenden Studien wurden sowohl im deutschen als auch im englischen Sprachraum durchgeführt. Verglichen wurden dabei Bewerbende, die exakt die gleichen inhaltlichen Aussagen einmal in der Standardsprache eines Landes (z. B. Hochdeutsch) und einmal in einer Varietät dieser Sprache (z. B. einem Dialekt oder einem ausländischen Akzent wie beispielsweise Englisch mit mexikanischem/spanischem Akzent) gesprochen haben.

Zentrale Ergebnisse:

Das Forschungsteam unter Leitung von Dr. Niklas Schulte von der Freien Universität Berlin (Psychologische Diagnostik, Differentielle und Persönlichkeitspsychologie) kam dabei zu zwei zentralen Ergebnissen:

Bewerbende, die nicht in der Standardsprache, sondern in einer regionalen, ethnischen oder fremdsprachlichen Varietät sprachen, wurden bei gleicher Qualifikation als weniger kompetent bewertet. Ihre Einstellungswürdigkeit (Engl. Hirability) wurde ebenfalls als geringer eingestuft.

Die Unterschiede in den Kompetenzzuschreibungen konnten auch nicht dadurch reduziert werden, dass die Bewertenden selbst die gleiche oder eine andere sprachliche Varietät sprachen. Auch schnitten erfahrene PersonalerInnen nicht besser ab als Laien.

Empfehlungen:

Auf Grundlage der Meta-Studie empfehlen die Forschenden Dr. Niklas Schulte (FU Berlin), Prof. Dr. Johannes M. Basch (Hochschule Neu-Ulm), Hannah-Sophie Hay (Universität Ulm), und Prof. Dr. Klaus Melchers (Universität Ulm), Vorstellungsgespräche mit zuvor festgelegten Fragen zu führen, die auf die konkreten Anforderungen der Position abzielen. „Beurteilungen sollten direkt im Hinblick auf diese Anforderungen und Qualifikationen erfolgen und an konkreten inhaltlichen Aussagen der Bewerbenden im Gespräch festgemacht werden. Dies könnte helfen, die Auswirkungen von Urteilsfehlern und Vorurteilen zu reduzieren und eine fairere Personalauswahl sicherzustellen“, sagt Dr. Niklas Schulte.

Quelle: https://idw-online.de/de/news832581

Das Entscheidungsorientierte Gespräch (EOG) als Eignungsinterview
Westhoff, Karl (Hrsg.)
Pabst, 156 Seiten
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