„Neue Zukunftsanforderungen“ in der Personalarbeit häufig unklar oder widersprüchlich

„Der aufmerksame Beobachter wird feststellen, dass viele Unternehmen ungefähr folgende Überlegungen anstellen: Wir müssen zukunftsfähig werden. Mit vielen unserer bisherigen Mitarbeiter werden wir dieses Ziel nicht erreichen. Deshalb müssen wir überlegen, welche Merkmale in Zukunft für uns bedeutend werden. Diese Merkmale machen wir zur Grundlage unserer Personalauswahl und -entwicklung.

Folgt man diesen Entwicklungstendenzen argumentativ, ist die Gedankenkette logisch und zwangsläufig. Wohin nun führt die Kette? Zunächst wird man beobachten, dass konkrete Fähigkeitsmerkmale, die in der Vergangenheit wichtig schienen, den Erfindern der ´neuen Zukunftsanforderungen´ irgendwie gestrig, hausbacken und nicht zukunftsrelevant erscheinen. Stattdessen stößt man auf hochwertig klingende Wortmonster wie entrepreneurship, intercultural sensitivity oder schlicht Vision. Das Problem besteht nun darin, dass sich außer den Erfindern niemand etwas vorstellen kann unter solchen Merkmalen. Wie und woran erkennt also ein Beobachter oder Diagnostiker, wie ein derartiges Merkmal in einer realen Person ausgeprägt sein könnte?

Ein zweites Charakteristikum der ´neuen Zukunftsanforderungen´, das man häufig in der Praxis antrifft, ist nicht neu, aber widersinnig. Sie münden meist in Katalogen beliebiger Wünschbarkeiten, die bereits vor vielen Jahren als ´Sehnsuchtslisten´ bezeichnet wurden. Gemeint ist damit, dass eine Sammlung von Merkmalen erstellt wird, die kein real existierender Mensch erfüllen kann. Menschen verfügen meist über entwickelte Verhaltenssysteme, in denen Stärken in einer Richtung mit Schwächen in anderer Richtung ´erkauft´ werden. ´Sehnsuchtslisten´ erkennt man nun daran, dass sie gleichzeitig ´Durchsetzungsvermögen´ und ´Sensibilität´, ´Vision´ und ´Sorgfalt im Detail´, ´Risikobereitschaft/Entscheidungsfreude´ und ´vorausschauende Planung´ usw. möglichst im jeweiligen Höchstmaß fordern. Das eigentlich Wichtige geht damit im Konzert des auch noch Wünschbaren vollkommen unter …“

Rainer Neubauer: Wege und Irrwege bei der Definition von Anforderungen in der Personalauswahl. In:
Assessment Center – Von der Auftragsklärung bis zur Qualitätssicherung. Ein Handbuch von Praktikern für Praktiker
Sünderhauf, K.; Stumpf, S.; Höft, S. (Hrsg.)
Pabst, 448 Seiten
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